Kalt

white clouds

Die Nacht, ich hab sie verdrängt, sowie ich viele Nächte verdrängt habe. Diese Nächte waren anders als die anderen. Es war eisigkalt. Ich bin von einem schlimmen Traum erwacht, der davon handelte das irgendjemand hinter mir her war. Zunächst sah ich meine Mutter im Traum, sie stand auf der Treppe zur Sparkasse die direkt Nebenan war. Sie hatte keine Oberbekleidung an und sie war betrunken. Sie steckte sich eine Zigarette an. Ich wollte zu meiner Mutter gehen, aber ich konnte nicht gehen. Ein Bus fuhr die Straße, unglaublich schnell an uns vorbei. Mich packte die Angst. Denn ich habe diesen Bus schon öfter gesehen, irgendwie hat mich dieser verfolgt. Mit quietschenden Reifen, blieb er stehen. Und dann ging alles ganz schnell. Jemand stieg aus und rannte zu mir und trug mich und setzte mich in den Bus rein. Meine Mutter schien es überhaupt nicht zu interessieren was gerade geschehen war. Sie drehte sich nicht mal um. Ich klopfte an die Fensterscheibe und schrieh. Aber das nützte nichts im geringsten. In all der Panik, getrennt zu werden und der Angst was passiert als nächstes, bin ich mitten in der Nacht aus dem Bett gefallen. Meine Mutter lag neben mir und murmelte, was ist denn jetzt schon wieder los? Ich sagte kein Wort, „Dann nicht“ , sagte meine Mutter und drehte sich zur linken Seite. Damals als ich knapp Sechs Jahre alt war, wusste ich nicht was dieser Traum bedeutete. Ich weiß, das ich immer große Angst hatte meine Mutter zu verlieren, an den Alkohol, das sie stirbt. Nicht das ich alleine mit mir nicht klar kam. Nein es war die Angst, versagt zu haben, die Angst den einzigen Menschen in meinem Leben zu verlieren. Das der Alkohol stärker war alls meine Liebe. Aber letztendlich hat es nie gereicht, Die Sucht war zu stark. Da war da noch meine Oma, meine Cousinen, meine Onkel und Tanten ja ich habe sie alle abgöttisch geliebt, mit meinem ganzen Herzen. Auch wenn sie uns kaum besucht haben. Ich habe nie verstanden warum keiner von der Familie dazu bereit war, meiner Mutter den Kopf zu waschen. Keiner sagte ein Wort. Nur wenn sich meine Mutter mal wieder daneben benommen hat, haben sie gesagt, Mama solle nach Hause den Rausch ausschlafen, was denn die Leute wohl denken würden! Und ich war da immer mitten zwischen. Mich hat man irgendwie gar nicht beachtet, nur eine meiner Cousinen wollte mich auf andere Gedanken bringen. Aber das ging überhaupt nicht. Die anderen Kinder spielten und ich hatte meine Mutter im Blick, damit sie ja keinen Blödsinn macht. Bei uns im Dorf war Schützenfest und wir fuhren dann mit dem Zug zu meiner Oma. Ich habe mich so riesig gefreut meine Familie wieder zu sehen.Und es dauerte nicht lange, da wollte meine Mutter schon mit mir los zum Schützenfest. Ich wusste sofort was wieder passieren würde. Als wir dort angekommen sind, ließ mich meine Mutter los sobald wir im Zelt angekommen sind. Ich sagte bleib bitte bei mir, Wieso fragte sie? Ich möchte nicht das du wieder soviel trinkst. Ach kleine, das mache ich nicht. Alles gut. Geh zu den Kindern tanzen oder was auch immer… Und schon Mischte sie sich unter den Menschen die an der Theke standen. Meine Mutter war die Königin des Schützenfestes, alle Männer fuhren auf sie ab. Sogar die verheirateten. Sie bekam von jedem ein Getränk ausgegeben und hatte schon vergessen was ich ihr sagte. Die Männer wollten gleich mit ihr Tanzen, oder sie unterhielten sich angeregt. Ich hatte meine Mutter einige Zeit beobachtet, aber dann wurde mir das alles zuviel. Ich bin nach draußen gegangen, den zum Tanzen hatte ich keine Lust mehr. Auf einmal zog mich jemand an mein Arm und sagte, Hey Du bist doch die kleine Tochter von der Familie…. ja sagte ich… Sie schrieh fast, sieh zu das du deine Mutter aus dem Zelt bekommst und mit dir nach Hause geht. Aber warum denn fragte ich? , Weil deine Mutter mit meinem Ehemann flirtet. Ich sagte gar nichts darauf und habe mich losgerissen, denn ich konnte überhaupt nichts ausrichten. Denn wenn meine Mutter im Party Modus war, dann richtig und niemand hätte sie davon fern halten können. Es macht mir viel mehr aus, als ich dachte – nicht nur Damals auch heute spüre ich das beklemmende Gefühl, diese Angst als ob das alles noch längst nicht vorbei wäre. Es ist nicht nur die Tatsache das meine Mutter trank, es waren die vielen kleinen und großen Verletzungen, es war so als wollte man mich eigentlich gar nicht haben wollen. Egal wo ich ankam oder wo ich hinging, nirgendwo war ich wirklich Willkommen, sie haben nur so getan – wenn sie freundlich zu mir waren. Es ist leider keine Einbildung, wie sehr ich mir das so wünschen würde. Erst sehr spät bekam ich den Eindruck von der Wirklichkeit. Als es meiner Oma im Jahre 2009 an Weihnachten und schon die Wochen davor so schlecht ging, da spürte ich eine Veränderung. Anfang 2009 meine Oma war im Krankenhaus, es hieß Wasser in der Lunge Lungenembolie heißt es, glaube ich! Es wurde im Krankenhaus alles getan damit sie keinen Schlaganfall bekommen würde. Einen zu hohen Blutdruck hatte sie immer und bekam dafür auch Medikamente. Meine Mutter sagte zu meiner Oma, Das Oma nach Mama kommen soll, sobald sie aus dem Krankenhaus entlassen wird. Oma willigte ein, da Oma mit ihren Lebensabschnittgefährten keine gute Beziehung mehr hatte. Opa starb 1980 in dem Jahr wo ich zum ersten Mal vergewaltigt und fast zu Tode verprügelt worden war. Erst cira elf Jahre später 1991 traf Oma ihre Jugendliebe wieder, am Anfang schien sie noch Glücklich zu sein. Doch mit den Jahren, wurde es immer schlimmer und ihr Partner benutzte sie nur noch zum Putzen und Kochen, bis zum allerletzten Tag. So kam sie nach ihren Krankenhausaufenthalt nach meiner Mutter. Ich war zu dieser Zeit schon im dritten Jahr verheiratet und wohnte 10 Kilometer weit entfernt von meiner Mutter. Jeden Abend rief mich meine Mutter an und klagte mir ihr Leid. Ich habe ihr immer bei gestanden und zugehört. Nur wenn sie spät am Abend nochmal anrief da wusste ich das meine Mutter wieder getrunken hatte und das im Beisein meiner Oma, die den Alkohol eigentlich auch hasste. Meine Oma hat nie auf den Tisch geschlagen, wenn es darum ging. Sie kam meiner Mutter dann immer so, „Kind ich sehe es nicht gerne das du was trinkst, du solltest mal lieber wieder in die Kirche gehen und die heilige Kommunion in Empfang nehmen“.Wenn meine Mutter dann betrunken war, schrieh sie Oma an. Und lachte laut dabei. So eine Scheiße, der hilft mir auch nicht. So etwas kam dann dabei heraus. Meine Oma entwickelte in den Wochen bei meiner Mutter schwere Depressionen, die sie aber in der Vergangenheit auch schon öfter erlebt hatte. Meine Mutter war wohl mit ihrer Kraft am Ende, denn es war nicht immer leicht mit Oma. Oma konnte auch ganz schön biestig sein, das ist mir dort das erste Mal richtig doll aufgefallen. Meine Cousine die Oma besuchte, sah schließlich das Meine Mutter nichts mehr Aß, und sich den Wein und Korn wie Wasser hinunter kippte. Meine Oma saß nur Still und Star auf dem Sofa, an dem Tag war ich dabei. Meine Mutter konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und hatte innerhalb 5 Monate eine Menge abgenommen. Wahrscheinlich weil sie keinen Hunger hatte. Und meine Oma sagte kein Wort und wenn man es im lieben versucht hatte, dann guckte sie uns kurz an und sagte irgendwas, das uns verletzte. Dabei haben wir in dieser Zeit alles für Oma und Mama getan damit es wieder aufwärts geht. Meine Mutter setzte dann die ganze Hoffnung in Antidepressiva die meine Oma bekam. Sie sorgte sich sehr um sie und bereitete immer pünktlich Omas Mahlzeiten zu. Frühstück, Mittag und Abendessen. Manchmal auch ein Stück Kuchen. Meine Mutter fragte jeden Tag ob es Oma schon etwas besser ginge? Aber die Tage waren unverändert. Dann kam ich mit meiner Cousine nochmal Oma besuchen und wir spürten eine Angespannte Stimmung, meine Mutter sah zunehmend schlechter aus und meine Oma auch. Meine Cousine überredete meine Mutter, Oma in die Psychiatrie zu geben da es so nicht mehr weiter gehen würde. Beide würde so zum Wrack. Meine Mutter willigte ein, denn sie konnte einfach nicht mehr. Meine Cousine klärte alles mit der Klinik und schon einen Tag später fuhr meine Cousine, mich meine Mutter und Oma ins Krankenhaus. Meine Oma weinte als wir gegangen sind. Schon ein paar Tage später schien es Oma wieder besser zu gehen. Aber sie hatte ihre linke Gesichts und Korperhälfte voller Blutergüsse, von einem schweren Sturz. Man sagte zu uns das würde an den Starken Tabletten liegen. Oma wurde nach ein paar Wochen entlassen und es war gerade Sommer. Oma wollte gern wieder zu ihrem Partner, den sie trotz allem ein wenig vermisst hatte auch wenn er sie jede Woche einmal bei Mama besuchen kam. Meine Oma war sichtlich geschwächt und ich half meiner Oma so gut ich konnte. Ich übernahm die häusliche Pflege für Sie und verdiente sehr gut bei meiner Oma. Obwohl ich das nie wollte steckte sie mir immer noch etwas zu, wenn ich bei ihr war. Ich nahm Oma in den Arm, weil ich sie geliebt habe, vom ganzen Herzen. Ich hätte all das auch ohne Geld gemacht, in erster Linie wollte ich das es Oma gut ging. Meine Oma war zu diesem Zeitpunkt 89 Jahre alt. Ich spürte das sie keine Kraft mehr hatte, wenn es ihr vom Gemüt her wieder besser zu gehen schien. In dieser Zeit redeten wir auch sehr viel. Über Mama, das sie noch immer trinkt über mich und meine Ehe und es war das erste Mal das mir meine Oma richtig zugehört hat. Dafür liebte, ich sie gleich noch viel mehr. Es wurde Herbst und irgendwann sagte meine Oma das ich nicht mehr kommen bräuchte. Ich wäre ja sowieso immer sofort weg wenn ich meine Arbeit erledigt hätte. Das stimmte nur zum Teil, es kam vielleicht zwei oder drei mal vor, ja – aber Oma wusste auch nicht das ich in dieser Zeit eine Fehlgeburt hatte. Das mein Mann mehr mit dem PC verheiratet war, alls mit mir. Das meine Mutter jeden Abend betrunken bei mir anrief, und zum dritten Mal von mir hören wollte wie es Oma ging. Ich hatte selbst keine Ruhe mehr. Zwischen einem Haus und einem Garten der Arbeit im Seniorenheim, bei meiner Oma und auch gelegentlich bei meiner Mutter, den Terror der Schwiegereltern war ich selbst nur noch ein Hauch von Nichts. Weihnachten Ich wollte so gern mit meinem Mann und meiner Oma und meiner Mutter, nach Oma fahren und Weihnachten feiern. Ich hab mir große Mühe gegeben und meiner Oma einen schönen Vasenschmuck gebastelt. Aber am Tag vor Heilig Abend, rief meine Mutter an und sagte das Oma nicht möchte das ich mit meinem Ehemann zu ihr komme. Ich dachte was ist denn jetzt los? Ja, ich glaube ihr Partner hat gesagt das er das nicht gerne hätte…. Ich fiel ihr ins Wort und sagte, so ein Quatsch. Meine Mutter sollte zu ihr kommen, wir sollten Mama bringen und wider abholen. Aber wir durften nicht zu Oma rein. Was hätte ich darum gegeben sie noch einmal in den Arm zu nehmen. Ich war ganz schön traurig und enttäuscht darüber das meine Oma mich nicht sehen wollte, ich hab es einfach nicht verstanden. An meinem Geburtstag am 13. Januar rief mich meine Oma an. Und wir redeten als ob nichts gewesen wäre. Aber ich hörte das Oma sehr schwach und leise war. Nach ein paar Minuten verabschiedeten wir uns. Das war das letzte Mal, das ich mit ihr sprechen konnte. Am Abend den 29 Januar, rief mich meine Mutter gegen 21 Uhr an. Und war total betrunken. Ich dachte was kommt jetzt wieder als Ausrede? Meine Mutter war ganz leise, „ich, ich muss dir was sagen“, Oma ist Tod. In dem Moment blieb mein Herz stehen. Woher weißt du das, Mama? Dein Onkel war bei Oma, er hat mich gerade angerufen. Wie ist es passiert, hab ich gefragt unter Tränen. Oma hat den Tag noch mit ihr Telefoniert, sie hat zu Mittag noch Rouladen gebraten und Kartoffeln geschält. Am Abend setzte sie sich dann ins Fernsehzimmer an die Heizung, was sie sonst nie tat. Die beiden gingen sehr früh ins Bett, Oma spürte das es ihr nicht gut ging, sie bekam auch kaum Luft. Sie gingen die Treppe rauf, auf dem Flur stand ein Stuhl worauf meine Oma immer ihre Anziehsachen legte, dort setzte sie sich hin. Und schlief für immer ein. Meine Oma kippte vom Stuhl in dem Moment bemerkte das ihr Partner, er rief Mathilde.. Mathilde.. Und sah das sie Tot war, er selbst schaffe es nicht mehr mit seinen 90 Jahren Oma aufzuheben. Er rief meinen Onkel an. Und dieser kam auch sofort. Und verständigte den Arzt der auch nur noch den Tod festellen konnte. Ich habe mir eingeredet, daß Oma gespürt hat das sie bald stirbt und das sie mich deswegen an Weihnachten nicht sehen wollte. Das sie mir das nicht antun wollte, denn ich hätte sofort gemerkt wenn was nicht stimmt. Es sollten noch Dreizehn Jahre vergehen bis ich die ganze Wahrheit über mich, mein Leben und meine Familie erfuhr. Damals pflegte ich ihr Grab, bis ich nach ein paar Jahren wegzog. Es war eine harte Zeit für mich, ganz alleine in einer fremden Stadt, mein Mann war nie Zuhause weil er doppelschichten gearbeitet hat. Da fing ich an gelegentlich zu trinken. Ich hab das alles nicht verarbeitet und es tat mir im Herzen so weh. Meine Oma fehlte mir sehr, manchmal kam es mir so vor als sei ich die einzigste die Oma so sehr vermisst. Meine Mutter war Stumm und weinte nicht eine Träne. Sie konnte nicht weinen. Meine Mutter konnte nicht zur Beerdigung gehen, ich weiß bis heute nicht wirklich warum. Erst Monate später sind wir mit ihr zum Grab gegangen. Ich habe in all den Jahren meine Oma vermisst und geweint das sie nicht mehr da war. Ich hätte nie geglaubt das es eintreffen würde. Ich erinnerte mich an die schönen Stunden mit meiner Oma als ich noch ein Kind war, aber auch an die schlimmen Zeiten in denen ich verzweifelt nach ihrer Hand gesucht habe und sie nicht gefunden habe. Erst in diesem Jahr als wieder all das hockam und ich mit meiner Cousine gemailt habe, wurde mir bewusst das vieles nur Show war. Das man mich seitens der Familie nicht unterstützte. Im Gegenteil. Man hat zugelassen das meine Mutter, trotz Schwangerschaft weiter rauchte und weiter trank, man brachte ihr sogar Alkohol mit, wenn Mama, Oma oder meine Cousine für sich manipuliert hat. Oma und die ganze Familie redete schlecht über mich, als ich als Säugling für viele Wochen in Bethel im Krankenhaus lag. Denn sie wussten, was ich nicht wusste und lange nicht erfahren durfte. Meine Mutter und meine Oma schmückten es immer so aus als ob ich Schuld an der ganzen Sache bin. Das ich keine Lust habe zur Schule zu gehen, das ich meiner Mutter nur Schwierigkeiten bereite und sogar als ich in die Kinder und Jugendpsychiatrie kam, bin ich die jenige gewesen die so schwierig war und deswegen dort deswegen war. Dabei war es wegen den fehlenden Tage in der Schule, wegen meiner Mutter weil sie getrunken hat, weil ich sehr krank war, meine Hypophyse schrumpfte und niemand wusste warum. Dann stand damals schon das Fetale Alkoholsyndrom im Raum und ich dachte die ganze Zeit es liegt an mir, ich bin falsch! Ich gehöre nicht in diese Welt! Niemand mag mich und man verleugnete mich. Erst im Jahre 2003 als erste Befunde anforderte wusste ich das meine Befürchtungen alle wahr, wurden. In den letzten Zwanzig Jahren habe ich viel mitgemacht, erlebt und ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Mir treiben jetzt noch Tränen in die Augen und ins Gesicht wenn ich an die Unterhaltung mit meiner Cousine denke und jedes verloren geglaubte Puzzleteil fügt sich zusammen. Ich fühl mich sehr kraftlos, vor meinem Mann tue ich so als sei alles in Ordnung. Aber das ist es nicht. Ich bin zu sehr verletzt. Ich habe meine Oma so geliebt, jeden in der Familie. Und dann erfahre ich einfach so die Nackte Wahrheit. Das ich im Grunde nur geduldet war. Hat man mich überhaupt je geliebt? Auf einmal schießen die Tränen, der Hals zieht sich zu. In mir ein dunkles Wesen das sich immer und immer mehr von dem nimmt was ich die Liebe für meine Familie halte, es frisst mich von innen her auf. Irgendwann wird keine Liebe mehr da sein, nur noch Wut und Hass. Aber bis es dazu kommt, werde ich mich immer wieder fragen warum? Warum?


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Die Nacht, ich hab sie verdrängt, sowie ich viele Nächte verdrängt habe. Diese Nächte waren anders als die anderen. Es war eisigkalt. Ich bin von einem schlimmen Traum erwacht, der davon handelte das irgendjemand hinter mir her war. Zunächst sah ich meine Mutter im Traum, sie stand auf der Treppe zur Sparkasse die direkt Nebenan war. Sie hatte keine Oberbekleidung an und sie war betrunken. Sie steckte sich eine Zigarette an. Ich wollte zu meiner Mutter gehen, aber ich konnte nicht gehen. Ein Bus fuhr die Straße, unglaublich schnell an uns vorbei. Mich packte die Angst. Denn ich habe diesen Bus schon öfter gesehen, irgendwie hat mich dieser verfolgt. Mit quietschenden Reifen, blieb er stehen. Und dann ging alles ganz schnell. Jemand stieg aus und rannte zu mir und trug mich und setzte mich in den Bus rein. Meine Mutter schien es überhaupt nicht zu interessieren was gerade geschehen war. Sie drehte sich nicht mal um. Ich klopfte an die Fensterscheibe und schrieh. Aber das nützte nichts im geringsten. In all der Panik, getrennt zu werden und der Angst was passiert als nächstes, bin ich mitten in der Nacht aus dem Bett gefallen. Meine Mutter lag neben mir und murmelte, was ist denn jetzt schon wieder los? Ich sagte kein Wort, „Dann nicht“ , sagte meine Mutter und drehte sich zur linken Seite. Damals als ich knapp Sechs Jahre alt war, wusste ich nicht was dieser Traum bedeutete. Ich weiß, das ich immer große Angst hatte meine Mutter zu verlieren, an den Alkohol, das sie stirbt. Nicht das ich alleine mit mir nicht klar kam. Nein es war die Angst, versagt zu haben, die Angst den einzigen Menschen in meinem Leben zu verlieren. Das der Alkohol stärker war alls meine Liebe. Aber letztendlich hat es nie gereicht, Die Sucht war zu stark. Da war da noch meine Oma, meine Cousinen, meine Onkel und Tanten ja ich habe sie alle abgöttisch geliebt, mit meinem ganzen Herzen. Auch wenn sie uns kaum besucht haben. Ich habe nie verstanden warum keiner von der Familie dazu bereit war, meiner Mutter den Kopf zu waschen. Keiner sagte ein Wort. Nur wenn sich meine Mutter mal wieder daneben benommen hat, haben sie gesagt, Mama solle nach Hause den Rausch ausschlafen, was denn die Leute wohl denken würden! Und ich war da immer mitten zwischen. Mich hat man irgendwie gar nicht beachtet, nur eine meiner Cousinen wollte mich auf andere Gedanken bringen. Aber das ging überhaupt nicht. Die anderen Kinder spielten und ich hatte meine Mutter im Blick, damit sie ja keinen Blödsinn macht. Bei uns im Dorf war Schützenfest und wir fuhren dann mit dem Zug zu meiner Oma. Ich habe mich so riesig gefreut meine Familie wieder zu sehen.Und es dauerte nicht lange, da wollte meine Mutter schon mit mir los zum Schützenfest. Ich wusste sofort was wieder passieren würde. Als wir dort angekommen sind, ließ mich meine Mutter los sobald wir im Zelt angekommen sind. Ich sagte bleib bitte bei mir, Wieso fragte sie? Ich möchte nicht das du wieder soviel trinkst. Ach kleine, das mache ich nicht. Alles gut. Geh zu den Kindern tanzen oder was auch immer… Und schon Mischte sie sich unter den Menschen die an der Theke standen. Meine Mutter war die Königin des Schützenfestes, alle Männer fuhren auf sie ab. Sogar die verheirateten. Sie bekam von jedem ein Getränk ausgegeben und hatte schon vergessen was ich ihr sagte. Die Männer wollten gleich mit ihr Tanzen, oder sie unterhielten sich angeregt. Ich hatte meine Mutter einige Zeit beobachtet, aber dann wurde mir das alles zuviel. Ich bin nach draußen gegangen, den zum Tanzen hatte ich keine Lust mehr. Auf einmal zog mich jemand an mein Arm und sagte, Hey Du bist doch die kleine Tochter von der Familie…. ja sagte ich… Sie schrieh fast, sieh zu das du deine Mutter aus dem Zelt bekommst und mit dir nach Hause geht. Aber warum denn fragte ich? , Weil deine Mutter mit meinem Ehemann flirtet. Ich sagte gar nichts darauf und habe mich losgerissen, denn ich konnte überhaupt nichts ausrichten. Denn wenn meine Mutter im Party Modus war, dann richtig und niemand hätte sie davon fern halten können. Es macht mir viel mehr aus, als ich dachte – nicht nur Damals auch heute spüre ich das beklemmende Gefühl, diese Angst als ob das alles noch längst nicht vorbei wäre. Es ist nicht nur die Tatsache das meine Mutter trank, es waren die vielen kleinen und großen Verletzungen, es war so als wollte man mich eigentlich gar nicht haben wollen. Egal wo ich ankam oder wo ich hinging, nirgendwo war ich wirklich Willkommen, sie haben nur so getan – wenn sie freundlich zu mir waren. Es ist leider keine Einbildung, wie sehr ich mir das so wünschen würde. Erst sehr spät bekam ich den Eindruck von der Wirklichkeit. Als es meiner Oma im Jahre 2009 an Weihnachten und schon die Wochen davor so schlecht ging, da spürte ich eine Veränderung. Anfang 2009 meine Oma war im Krankenhaus, es hieß Wasser in der Lunge Lungenembolie heißt es, glaube ich! Es wurde im Krankenhaus alles getan damit sie keinen Schlaganfall bekommen würde. Einen zu hohen Blutdruck hatte sie immer und bekam dafür auch Medikamente. Meine Mutter sagte zu meiner Oma, Das Oma nach Mama kommen soll, sobald sie aus dem Krankenhaus entlassen wird. Oma willigte ein, da Oma mit ihren Lebensabschnittgefährten keine gute Beziehung mehr hatte. Opa starb 1980 in dem Jahr wo ich zum ersten Mal vergewaltigt und fast zu Tode verprügelt worden war. Erst cira elf Jahre später 1991 traf Oma ihre Jugendliebe wieder, am Anfang schien sie noch Glücklich zu sein. Doch mit den Jahren, wurde es immer schlimmer und ihr Partner benutzte sie nur noch zum Putzen und Kochen, bis zum allerletzten Tag. So kam sie nach ihren Krankenhausaufenthalt nach meiner Mutter. Ich war zu dieser Zeit schon im dritten Jahr verheiratet und wohnte 10 Kilometer weit entfernt von meiner Mutter. Jeden Abend rief mich meine Mutter an und klagte mir ihr Leid. Ich habe ihr immer bei gestanden und zugehört. Nur wenn sie spät am Abend nochmal anrief da wusste ich das meine Mutter wieder getrunken hatte und das im Beisein meiner Oma, die den Alkohol eigentlich auch hasste. Meine Oma hat nie auf den Tisch geschlagen, wenn es darum ging. Sie kam meiner Mutter dann immer so, „Kind ich sehe es nicht gerne das du was trinkst, du solltest mal lieber wieder in die Kirche gehen und die heilige Kommunion in Empfang nehmen“.Wenn meine Mutter dann betrunken war, schrieh sie Oma an. Und lachte laut dabei. So eine Scheiße, der hilft mir auch nicht. So etwas kam dann dabei heraus. Meine Oma entwickelte in den Wochen bei meiner Mutter schwere Depressionen, die sie aber in der Vergangenheit auch schon öfter erlebt hatte. Meine Mutter war wohl mit ihrer Kraft am Ende, denn es war nicht immer leicht mit Oma. Oma konnte auch ganz schön biestig sein, das ist mir dort das erste Mal richtig doll aufgefallen. Meine Cousine die Oma besuchte, sah schließlich das Meine Mutter nichts mehr Aß, und sich den Wein und Korn wie Wasser hinunter kippte. Meine Oma saß nur Still und Star auf dem Sofa, an dem Tag war ich dabei. Meine Mutter konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und hatte innerhalb 5 Monate eine Menge abgenommen. Wahrscheinlich weil sie keinen Hunger hatte. Und meine Oma sagte kein Wort und wenn man es im lieben versucht hatte, dann guckte sie uns kurz an und sagte irgendwas, das uns verletzte. Dabei haben wir in dieser Zeit alles für Oma und Mama getan damit es wieder aufwärts geht. Meine Mutter setzte dann die ganze Hoffnung in Antidepressiva die meine Oma bekam. Sie sorgte sich sehr um sie und bereitete immer pünktlich Omas Mahlzeiten zu. Frühstück, Mittag und Abendessen. Manchmal auch ein Stück Kuchen. Meine Mutter fragte jeden Tag ob es Oma schon etwas besser ginge? Aber die Tage waren unverändert. Dann kam ich mit meiner Cousine nochmal Oma besuchen und wir spürten eine Angespannte Stimmung, meine Mutter sah zunehmend schlechter aus und meine Oma auch. Meine Cousine überredete meine Mutter, Oma in die Psychiatrie zu geben da es so nicht mehr weiter gehen würde. Beide würde so zum Wrack. Meine Mutter willigte ein, denn sie konnte einfach nicht mehr. Meine Cousine klärte alles mit der Klinik und schon einen Tag später fuhr meine Cousine, mich meine Mutter und Oma ins Krankenhaus. Meine Oma weinte als wir gegangen sind. Schon ein paar Tage später schien es Oma wieder besser zu gehen. Aber sie hatte ihre linke Gesichts und Korperhälfte voller Blutergüsse, von einem schweren Sturz. Man sagte zu uns das würde an den Starken Tabletten liegen. Oma wurde nach ein paar Wochen entlassen und es war gerade Sommer. Oma wollte gern wieder zu ihrem Partner, den sie trotz allem ein wenig vermisst hatte auch wenn er sie jede Woche einmal bei Mama besuchen kam. Meine Oma war sichtlich geschwächt und ich half meiner Oma so gut ich konnte. Ich übernahm die häusliche Pflege für Sie und verdiente sehr gut bei meiner Oma. Obwohl ich das nie wollte steckte sie mir immer noch etwas zu, wenn ich bei ihr war. Ich nahm Oma in den Arm, weil ich sie geliebt habe, vom ganzen Herzen. Ich hätte all das auch ohne Geld gemacht, in erster Linie wollte ich das es Oma gut ging. Meine Oma war zu diesem Zeitpunkt 89 Jahre alt. Ich spürte das sie keine Kraft mehr hatte, wenn es ihr vom Gemüt her wieder besser zu gehen schien. In dieser Zeit redeten wir auch sehr viel. Über Mama, das sie noch immer trinkt über mich und meine Ehe und es war das erste Mal das mir meine Oma richtig zugehört hat. Dafür liebte, ich sie gleich noch viel mehr. Es wurde Herbst und irgendwann sagte meine Oma das ich nicht mehr kommen bräuchte. Ich wäre ja sowieso immer sofort weg wenn ich meine Arbeit erledigt hätte. Das stimmte nur zum Teil, es kam vielleicht zwei oder drei mal vor, ja – aber Oma wusste auch nicht das ich in dieser Zeit eine Fehlgeburt hatte. Das mein Mann mehr mit dem PC verheiratet war, alls mit mir. Das meine Mutter jeden Abend betrunken bei mir anrief, und zum dritten Mal von mir hören wollte wie es Oma ging. Ich hatte selbst keine Ruhe mehr. Zwischen einem Haus und einem Garten der Arbeit im Seniorenheim, bei meiner Oma und auch gelegentlich bei meiner Mutter, den Terror der Schwiegereltern war ich selbst nur noch ein Hauch von Nichts. Weihnachten Ich wollte so gern mit meinem Mann und meiner Oma und meiner Mutter, nach Oma fahren und Weihnachten feiern. Ich hab mir große Mühe gegeben und meiner Oma einen schönen Vasenschmuck gebastelt. Aber am Tag vor Heilig Abend, rief meine Mutter an und sagte das Oma nicht möchte das ich mit meinem Ehemann zu ihr komme. Ich dachte was ist denn jetzt los? Ja, ich glaube ihr Partner hat gesagt das er das nicht gerne hätte…. Ich fiel ihr ins Wort und sagte, so ein Quatsch. Meine Mutter sollte zu ihr kommen, wir sollten Mama bringen und wider abholen. Aber wir durften nicht zu Oma rein. Was hätte ich darum gegeben sie noch einmal in den Arm zu nehmen. Ich war ganz schön traurig und enttäuscht darüber das meine Oma mich nicht sehen wollte, ich hab es einfach nicht verstanden. An meinem Geburtstag am 13. Januar rief mich meine Oma an. Und wir redeten als ob nichts gewesen wäre. Aber ich hörte das Oma sehr schwach und leise war. Nach ein paar Minuten verabschiedeten wir uns. Das war das letzte Mal, das ich mit ihr sprechen konnte. Am Abend den 29 Januar, rief mich meine Mutter gegen 21 Uhr an. Und war total betrunken. Ich dachte was kommt jetzt wieder als Ausrede? Meine Mutter war ganz leise, „ich, ich muss dir was sagen“, Oma ist Tod. In dem Moment blieb mein Herz stehen. Woher weißt du das, Mama? Dein Onkel war bei Oma, er hat mich gerade angerufen. Wie ist es passiert, hab ich gefragt unter Tränen. Oma hat den Tag noch mit ihr Telefoniert, sie hat zu Mittag noch Rouladen gebraten und Kartoffeln geschält. Am Abend setzte sie sich dann ins Fernsehzimmer an die Heizung, was sie sonst nie tat. Die beiden gingen sehr früh ins Bett, Oma spürte das es ihr nicht gut ging, sie bekam auch kaum Luft. Sie gingen die Treppe rauf, auf dem Flur stand ein Stuhl worauf meine Oma immer ihre Anziehsachen legte, dort setzte sie sich hin. Und schlief für immer ein. Meine Oma kippte vom Stuhl in dem Moment bemerkte das ihr Partner, er rief Mathilde.. Mathilde.. Und sah das sie Tot war, er selbst schaffe es nicht mehr mit seinen 90 Jahren Oma aufzuheben. Er rief meinen Onkel an. Und dieser kam auch sofort. Und verständigte den Arzt der auch nur noch den Tod festellen konnte. Ich habe mir eingeredet, daß Oma gespürt hat das sie bald stirbt und das sie mich deswegen an Weihnachten nicht sehen wollte. Das sie mir das nicht antun wollte, denn ich hätte sofort gemerkt wenn was nicht stimmt. Es sollten noch Dreizehn Jahre vergehen bis ich die ganze Wahrheit über mich, mein Leben und meine Familie erfuhr. Damals pflegte ich ihr Grab, bis ich nach ein paar Jahren wegzog. Es war eine harte Zeit für mich, ganz alleine in einer fremden Stadt, mein Mann war nie Zuhause weil er doppelschichten gearbeitet hat. Da fing ich an gelegentlich zu trinken. Ich hab das alles nicht verarbeitet und es tat mir im Herzen so weh. Meine Oma fehlte mir sehr, manchmal kam es mir so vor als sei ich die einzigste die Oma so sehr vermisst. Meine Mutter war Stumm und weinte nicht eine Träne. Sie konnte nicht weinen. Meine Mutter konnte nicht zur Beerdigung gehen, ich weiß bis heute nicht wirklich warum. Erst Monate später sind wir mit ihr zum Grab gegangen. Ich habe in all den Jahren meine Oma vermisst und geweint das sie nicht mehr da war. Ich hätte nie geglaubt das es eintreffen würde. Ich erinnerte mich an die schönen Stunden mit meiner Oma als ich noch ein Kind war, aber auch an die schlimmen Zeiten in denen ich verzweifelt nach ihrer Hand gesucht habe und sie nicht gefunden habe. Erst in diesem Jahr als wieder all das hockam und ich mit meiner Cousine gemailt habe, wurde mir bewusst das vieles nur Show war. Das man mich seitens der Familie nicht unterstützte. Im Gegenteil. Man hat zugelassen das meine Mutter, trotz Schwangerschaft weiter rauchte und weiter trank, man brachte ihr sogar Alkohol mit, wenn Mama, Oma oder meine Cousine für sich manipuliert hat. Oma und die ganze Familie redete schlecht über mich, als ich als Säugling für viele Wochen in Bethel im Krankenhaus lag. Denn sie wussten, was ich nicht wusste und lange nicht erfahren durfte. Meine Mutter und meine Oma schmückten es immer so aus als ob ich Schuld an der ganzen Sache bin. Das ich keine Lust habe zur Schule zu gehen, das ich meiner Mutter nur Schwierigkeiten bereite und sogar als ich in die Kinder und Jugendpsychiatrie kam, bin ich die jenige gewesen die so schwierig war und deswegen dort deswegen war. Dabei war es wegen den fehlenden Tage in der Schule, wegen meiner Mutter weil sie getrunken hat, weil ich sehr krank war, meine Hypophyse schrumpfte und niemand wusste warum. Dann stand damals schon das Fetale Alkoholsyndrom im Raum und ich dachte die ganze Zeit es liegt an mir, ich bin falsch! Ich gehöre nicht in diese Welt! Niemand mag mich und man verleugnete mich. Erst im Jahre 2003 als erste Befunde anforderte wusste ich das meine Befürchtungen alle wahr, wurden. In den letzten Zwanzig Jahren habe ich viel mitgemacht, erlebt und ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Mir treiben jetzt noch Tränen in die Augen und ins Gesicht wenn ich an die Unterhaltung mit meiner Cousine denke und jedes verloren geglaubte Puzzleteil fügt sich zusammen. Ich fühl mich sehr kraftlos, vor meinem Mann tue ich so als sei alles in Ordnung. Aber das ist es nicht. Ich bin zu sehr verletzt. Ich habe meine Oma so geliebt, jeden in der Familie. Und dann erfahre ich einfach so die Nackte Wahrheit. Das ich im Grunde nur geduldet war. Hat man mich überhaupt je geliebt? Auf einmal schießen die Tränen, der Hals zieht sich zu. In mir ein dunkles Wesen das sich immer und immer mehr von dem nimmt was ich die Liebe für meine Familie halte, es frisst mich von innen her auf. Irgendwann wird keine Liebe mehr da sein, nur noch Wut und Hass. Aber bis es dazu kommt, werde ich mich immer wieder fragen warum? Warum?


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